Der automobile Mensch 2: Stadt ohne Auto?
Regie: Reinhard Seiß
dOV
Rezensionen
Haben Sie gewusst, dass die Menschen in Bremen dreimal so viel Radfahren wie in Wien? Und dass Zürich sogar den Sperrmüll mit der Straßenbahn abholt? Oder dass Basel den Autoverkehr um 10 Prozent eingedämmt hat? Nein, nicht gegen den Willen der Bevölkerung, sondern in deren Auftrag! Ulm hat kürzlich seine siebenspurige Hauptstraße auf zwei Fahrspuren rückgebaut. Und in Salzburg haben die Bürgerinnen und Bürger das Garagengroßprojekt der Stadtregierung zu Fall gebracht. Mit zukunftstauglicher Verkehrspolitik können Stadtregierungen durchaus punkten – wenn sie den Wählerinnen und Wählern den Mehrwert von weniger Autos vermitteln und wenn sie Alternativen dazu bieten.
Der aktuelle Film des Stadtplaners Reinhard Seiß ist ein aufrüttelndes Plädoyer für eine grundlegende Verkehrswende als Voraussetzung für einen ernsthaften Klimaschutz. Dass wir problemlos mit sehr viel weniger Autos auskommen können, führt der Film anhand überzeugender Beispiele aus dem gesamten deutschen Sprachraum vor Augen. Andererseits zeigt er, wie politischer Opportunismus und wirtschaftliches Lobbying, aber auch Technologiegläubigkeit und Wachstumsfixierung einer Wende im Wege stehen.
Städte wie Berlin oder Hamburg reden vor allem von einer Verkehrswende, bekennen sich aber gleichzeitig zu Stadtautobahnen und uneingeschränkten Parkraumkapazitäten. Und auch anderswo möchte man zwar vom Autoverkehr loskommen, baut die Stadt aber weiter so, dass sie geradezu aufs Auto zugeschnitten ist: großmaßstäblich, weitläufig, monofunktional. Wo ist Wien hier einzuordnen? Die Stadt, die sich selbst in vielerlei Hinsicht als Weltmeister sieht, hält gerade im Bereich Verkehr keineswegs immer den eigenen Ankündigungen stand – und auch nicht dem Vergleich mit internationalen Best Practices.
Der Film zeigt erfolgreiche Beispiele aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern und beleuchtet die Interessen hinter dem „System Auto“. Dabei werden auch absurde und erschreckende Beispiele politischer und wirtschaftlicher Realitätsverweigerung präsentiert.